Sebastian Böhm
 
 
 


 
Vom Ringen mit der Farbe

Vom einstigen Autodidakten zu einem der profiliertesten Mitglieder der Trierer Kunstszene: Sebastian Böhm erhält den Kaiser-Lothar-Preis 2024. Wir haben mit dem gebürtigen Berliner über seinen Werdegang gesprochen und warum er manchmal mit den Farben ringen muss.

Von Eva-Maria Reuther

"Ich bin immer Maler." Wenn Sebastian Böhm derart seine Existenz in einen Satz fasst, ist eigentlich alles gesagt. Standard-Fragen, die man so stellt, wenn man ein Porträt schreiben will, wie die nach Hobbys oder Freizeitbeschäftigungen, haben sich sogleich erledigt. Denn auch die sind bei Sebastian Böhm im Malen inbegriffen.

Was Wunder, dass die zweite Selbstauskunft des Trierer Künstlers eigentlich nur die Erläuterung der ersten eingangs zitierten ist. "Meine Arbeit ist eine stetige Auseinandersetzung mit der Farbe", erklärt Böhm. Wer den schmalen Mann mit den dunklen Haaren kennt, weiß, wie konsequent er seit Jahren seine malerische Auseinandersetzung betreibt und wie kompromisslos er seinen Weg geht, ohne sich Kunsttrends oder gar Marktzwängen unterzuordnen.

In diesem Jahr hat die Stadt Prüm dem Künstler den Kaiser-Lothar-Preis 2024 zuerkannt. Am Samstag, dem 20. Juli, wird er ihm anlässlich der Eröffnung der Jahresausstellung der Europäischen Vereinigung Bildender Künstler aus Eifel und Ardennen (EVBK) dort verliehen.

Wer Sebastian Böhms Atelier in der Nähe des Trierer Stadions betritt, fühlt sich ein wenig wie aus der Welt. Nicht nur wegen der steilen schmalen Treppe, die hoch unter das Dach führt. Ein lang gestreckter Raum öffnet sich, der trotz seiner Weite etwas Intimes hat. Unter der gewaltigen Dachschräge zieht sich ein lichtes Fensterband die Wand entlang.

Er müsse sich beim Malen mit der Farbe einigen

Vorne steht ein runder Tisch mit einem Sofa, dahinter ein Arbeitstisch mit den üblichen Mal-Utensilien wie Pinseln und Farben. Die Stirnwand und einen Teil der Seitenwand bedecken großformatige Gemälde. Mittendrin steht der Künstler. Keine Frage: Hier ist Sebastian Böhm ganz bei sich. Hier ist jene Stille möglich, derer nach Goethe ein Talent zur Entwicklung bedarf.

Der Trierer Maler ist fraglos eines der profiliertesten und eigenwilligsten Mitglieder der Trierer Kunstszene. Seit über 30 Jahren widmet er sich der Malerei. In Berlin wurde er 1972 geboren. Mehrere Jahre lebte der Sohn eines Grafikers mit seinen Eltern in Lampaden im Hunsrück. Dort machte der damals 14-Jährige auch seine ersten Gehversuche als Maler, als er die Kulisse für eine Theateraufführung von Otto Preusslers Kinderbuch "Der Räuber Hotzenplotz" gestaltete.

Ein Jahr nach seinem Abitur am damaligen Trierer Hindenburg-Gymnasium (heute Humboldt-Gymnasium) bezog Böhm 1993 sein erstes Atelier, das er sich mit dem Trierer Ramboux-Preisträger, dem Bildhauer Werner Müller teilte. Zum Schlüsselerlebnis wurde dem jungen Maler ein Besuch der Sommerakademie des wichtigsten deutschen Farbfeldmalers Gotthard Graubner in Plauen, wo auch der Konzeptkünstler Karl-Heinz Adler unterrichtete.

Das Malen also, das war es, und das musste es sein. Und bis heute bestimmt es, wie gesagt, Böhms Leben. Es versteht sich somit fast von selbst, dass man dem Künstler am nächsten kommt, wenn man seine Gemälde betrachtet, oder seine Objekte und Installationen, die nichts anderes sind, als verräumlichte Malerei. Er müsse sich beim Malen mit der Farbe einigen, sagt Böhm im Gespräch. Wenn er so "im Bild" ist, ist das stets auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Person und der eigenen Wahrnehmung.

"Meine Arbeit ist eine stetige Auseinandersetzung mit der Farbe"

Böhms Bildfindungsprozesse sind immer auch Prozesse der Selbstvergewisserung und der Selbstfindung. Die Malerei des Trierer Künstlers entspringt der Innenschau. Sie ist Ausdruck einer Empfindsamkeit, in der sich geistiges und seelisches Erleben verdichten. Aus der Unschärfe der Erinnerung kommt sein Schaffen. Dorther, wo im eigenen Inneren Farben und Formen, Erlebtes und Erfahrenes gespeichert sind.

Wenn Böhm so malend mit der Farbe ringt, um als Bild, das die Innenschau unklar lässt, als Form oder abstraktes Farbfeld zu fassen, dient selbst das Scheitern der Klärung. "Ich muss das Scheitern als Gewinn sehen, um malen zu können, was ich in meiner Erinnerung nur erahnen kann", sagt Böhm.

Auch wenn die Malerei sein Leben bestimmt, so ist der Mann, dessen Augen hinter der Brille blitzen, wenn die Diskussion so richtig in Gang kommt, kein Einzeller, der mit Scheuklappen durchs Leben geht. Sein Maler-Kosmos ist vielfältig. Mit wachem Blick nimmt Böhm die Kunst wie die Welt wahr. Die stellt sich dem einstigen Autodidakten, der heute über eine lange überregionale und grenzüberschreitende Ausstellungsbiografie verfügt, nicht nur auf Reisen oder bei seiner Ausstellungstätigkeit dar oder in der Malerstadt Dresden, wo er mehrere Jahre ein Atelier unterhielt.

Mit der Welt verbunden ist er auch bei seiner Lehrtätigkeit an der Europäischen Kunstakademie in Trier oder im Friedrich-Spee-Gymnasium in Ehrang, wo er in Zusammenarbeit mit der Trierer "Kunstflotte" als eine Art "Artist in Residence" einen verdienstvollen Beitrag zur "kulturellen Bildung" leistet. Eingebunden ist der Künstler zudem in die Ausbildung von Grundschullehrern an der Universität Trier.

Bleibt noch sein Engagement als erster Vorsitzender des Trierer Kunstvereins Junge Kunst, dem er seit 1995 als aktives Mitglied angehört. Böhm prägt dort seit langem maßgeblich das Ausstellungsprogramm. Der Begegnung zwischen Öffentlichkeit und zeitgenössischer Kunst und ihrem vertieften Verständnis gilt seine Galeristen-Arbeit.

"Wir fördern die zeitgenössische Kunst und bieten dem Publikum die Gelegenheit, sich konzentriert mit ihr zu beschäftigen, sie im Original zu betrachten und sich mit ihr auseinanderzusetzen", sagt Böhm.

 
Trierischer Volksfreund Kultur vom 19.07.2024

 
         
17.09.2024 14:33:06 © Sebastian Böhm, 2024