Sebastian Böhm
 
 
 

 
Sichtbar machen, was hinterm Sichtbaren liegt
Kreisgalerie zeigt Werke eines unbequemen Künstlers

Mit dem Maler und Plastiker Sebastian Böhm zeigt die Kreisgalerie in Dahn derzeit einen Künstler, der in jeder Beziehung unbequem ist - stellt er doch die Wahrnehmung des Betrachters mit jedem seiner Exponate in Frage, macht sichtbar, was hinter dem eigentlich Sichtbaren liegt.
Beim Betrachten seiner Bilder verliert man zunehmend die Gewissheit, dass das, was man sieht, auch das ist, was ist. Denn Böhm zeigt die Dinge nicht so, wie sie sind, sondern so, wie er sie wahrnimmt. Dabei stellt er die Erinnerung, die Wahrnehmung und die Verarbeitung der Welt um uns herum, die sich eigentlich in uns selbst befindet, in den Mittelpunkt seiner Arbeiten.
Böhm zeigt, dass die Wahrnehmung nur subjektiv sein kann, da die vom Betrachter wahrgenommenen Informationen immer mit Hilfe der individuellen Erfahrungen und der eigenen Vergangenheit interpretiert werden, was dazu führt, dass jeder Mensch über seine ganz eigene Wahrheit verfügt. Das wird deutlich an der Geschichte des Journalisten und Fotografen Joseph Rock, der in den 1920-er und 30-er Jahren in den Bergregionen Chinas unterwegs war. Mit Hilfe eines Grammofons spielte er den Nomaden Opernarien vor und stellte dabei fest, dass sie an den besonders traurigen Stellen vom Bajazzo oder "La Bohème" in lautes Lachen ausbrachen.
Mit Böhms "Kopfleuchten" - so der Titel der Ausstellung - ist es ähnlich. Selten rufen die Bilder einer Ausstellung bei den Betrachtern so völlig verschiedene Reaktionen hervor, wie es hier der Fall ist. Aber es ist egal, ob man sich mit Böhms Kunst im Gleichklang befindet oder ob man seine Arbeiten rundweg ablehnt - gleichgültig bleibt keiner, denn er berührt auf die eine oder andere Weise, lässt den Betrachter hinterfragen, so dass die Auseinandersetzung mit den Arbeiten dieses Künstlers immer auch zu einer Auseinandersetzung mit sich selbst führt. Wer beginnt, diese Arbeiten zu hinterfragen, der hinterfragt sich selbst.
Wenn Böhm dem zarten Porträt eines Menschen durch einen scharf geschnittenen Kreis über dem Auge alle Weichheit nimmt, so weist er auf die Bedeutung der Augen hin, die dem Hirn als Filter vorgeschaltet sind. Seine Botschaft ist klar - und doch wird sie jeder anders interpretieren. Eines aber ist gewiss: Wer die Ausstellung bewusst in sich aufnimmt, wird die Welt künftig bewusster wahr nehmen.
Der gebürtige Berliner zeigt in dieser Ausstellung auch sein breitgefächertes handwerkliches Können. Er nutzt die Ätzradierung in Perfektion, verwendet Öl, Kreide, Lack, Tusche und Buntstift - und manchmal alles zusammen für eine einzige Arbeit.
Der 41-jährige ist seit 1993 freischaffend, kann auf eine lange Reihe Ausstellungen im In- und Ausland zurück blicken, lebt und arbeitet heute in Trier und Dresden und wurde kürzlich für den Kunstpreis Robert Schuman (Prix d'Art Robert Schuman) nominiert. Dieser wird alle zwei Jahre von den QuattroPole-Städten Luxemburg, Metz, Saarbrücken und Trier vergeben. Dieses Jahr richtet die Landeshauptstadt Saarbrücken vom 29. November 2013 bis 12. Januar 2014 den Kunstpreis und die dazugehörigen Ausstellungen in der Stadtgalerie Saarbrücken, der Johanneskirche und der K4-Galerie aus. (lh)

 
L. Hagen: "Sichtbar machen, was hinterm Sichtbaren liegt", Pirmasenser Zeitung, 21. September 2013

 
         
04.05.2021 14:58:15 © Sebastian Böhm, 2021