Sebastian Böhm
 
 
 

 
Jung, Autodidakt, mittellos – so beschreibt sich Sebastian Böhm selbstironisch. Was als Kontaktanzeige wenig Erfolg versprechend wäre , passt perfekt zum Klischee einer Künstlerbiografie. Doch so eindeutig lässt sich der Trierer nicht in eine Schublade stecken.

1993 ist es aus. Aus und vorbei mit der akademischen Laufbahn des Herrn Böhm. Beinahe fluchtartig verlässt er ein Seminar der Politikwissenschaft. Die Uni ist nicht sein Ding. Anstatt sich an einer Kunsthochschule zu bewerben steht er nächtelang in seinem ersten Atelier und malt. Obwohl ihm bereits nach dem Abitur am Trierer Hindenburg-Gymnasium klar war, dass er Maler werden will, hatte er kurz mit einer bürgerlichen Berufsausbildung geliebäugelt. Vielleicht den Eltern zu liebe, die ihn in den Achtzigern von Westberlin an die Mosel verpflanzt haben. „Ich habe mich nie als Schüler gesehen“, sagt Sebastian Böhm.
Zehn Jahre später ist dennoch etwas aus ihm geworden, auch ohne Diplom. Neben dem Namen, den er sich in Kunstkreisen gemacht hat, ist er auch über die Leinwand hinaus tätig. Als zweiter Vorsitzender des Kunstvereins Trier Junge Kunst und 2001/2002 als Vorstandsmitglied der Tuchfabrik engagiert er sich auf kulturpolitischer Ebene und kuratiert Ausstellungen.
Sein Hauptaugenmerk legt er jedoch auf sein künstlerisches Schaffen. Dabei entspricht er so gar nicht dem Bild vom genialen Genie, das auf die innere Eingebung wartet. „Kunst ist kontinuierliche Arbeit, die gemacht werden muss“, beschreibt er nüchtern seine Tätigkeit. Keine Spur von Leidenschaft. Und dennoch blitzt in manchen Ecken seines Ateliers ein Anflug von kreativem Chaos: im Vorraum ein breites Bett, welches von unzähligen Schuhen flankiert wird, deren Pärchenexistenz nur schwer auszumachen ist, im Arbeitsbereich Batterien von Farbeimern, Pinseln und Holzlatten aus denen später Rahmen werden, auf einem kleinen Tisch die obligatorische Thermoskanne Kaffee nebst Skizzenblock und Aschenbecher. Etwas ungewöhnlich mutet der schwere Schreibtisch an, auf dem ein großer Computermonitor thront. Das Zeitalter der neuen Medien geht eben auch an Künstlern nicht spurlos vorüber.

Die dritte Dimension

Der Kabelsalat auf dem Boden erweckt Tacker und Stichsägen zum Leben. Ungewöhnlich für einen Maler? Keineswegs. Böhm ist auf der Suche nach der dritten Dimension in der Malerei. „Wenn Farben nebeneinander funktionieren müssen, dann müssen sie auch im Vor- und Hintereinander, in der Tiefe funktionieren“, erklärt der 32-Jährige. Anstatt wie früher Leinwände mit bis zu 40 Farben zu lasieren, baut er nun kastenförmige Holzrahmen, vor die er Feinjute spannt, um diese gewünschte Tiefe zu erreichen. Die weitmaschige Juteleinwand reagiert, je nach Standpunkt, auf einfallendes Licht und eröffnet dem Betrachter unterschiedliche Farbwirkungen des Bildes. Ein spannender Effekt, der sich allerdings erst auf den zweiten Blick erschließt. Ein Manko für seine beiden „Luftlichter“ in der Panzerhallen-Ausstellung, da das dortige Publikum eher mit plakativem Blick urteilt. „Meine Arbeit ist nicht spektakulär“, stellt er fest. Wieder diese Nüchternheit. Auch wenn er die gesamte Ausstellung ob ihrer Vielfalt als „Gemischtwarenladen“ bezeichnet, ist er froh, dass seine Werke von den fünf Kunstkennern der Jury aufgenommen wurden. Die Landesgartenschau begeistert ihn auf ganz eigene Art: ein Touch von Existenzgründermesse ließe sich manchmal nicht leugnen, den Meckerern will er sich aber nicht anschließen: „Das Riesenradfahren ist super!“ Klar, da wird die geliebte Tiefe ja auch erlebbar. Verflogen ist alle Nüchternheit. Das Kind im Manne nimmt man ihm dennoch nicht ab. Zynismus schon eher. Berlin lässt grüßen.

 
Melanie Wollscheid: "Auf der Suche nach der Tiefe", Perspektive Petrisberg(Onlinemagazin), Oktober 2004

 
         
04.05.2021 14:58:15 © Sebastian Böhm, 2021